Seit Inkrafttreten des neuen Cannabisgesetzes Anfang 2024 ist klar: Deutschland geht einen historischen Schritt in Richtung Legalisierung. Erwachsene dürfen nun unter bestimmten Voraussetzungen Cannabis konsumieren, besitzen und sogar in begrenztem Umfang anbauen. Doch wer glaubt, damit sei der Weg frei für uneingeschränkten Konsum, irrt. Denn trotz Lockerung bleibt der Umgang mit Cannabis in vielen Situationen strafrechtlich relevant – und damit ein Fall für die Justiz.
Was erlaubt ist – und wo die Grenze verläuft
Erwachsene ab 18 Jahren dürfen bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenbedarf besitzen. Im privaten Raum ist zudem der Anbau von bis zu drei weiblichen Cannabispflanzen erlaubt, sofern sie vor dem Zugriff Dritter, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, geschützt sind. Auch der Konsum selbst ist grundsätzlich nicht mehr strafbar – allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.
So dürfen beispielsweise keine berauschten Fahrten mit dem Auto oder Fahrrad erfolgen. Hier bleibt das Straßenverkehrsrecht streng. Wer sich unter Cannabiseinfluss hinters Steuer setzt, riskiert wie bisher Bußgelder, Fahrverbote oder den Führerscheinentzug – und im Zweifel auch ein Strafverfahren, wenn es zu einer Gefährdung kommt.
Tabuzonen und Schutzbereiche
Auch räumlich hat der Gesetzgeber klare Grenzen gezogen. In der Nähe von Schulen, Kitas, Spielplätzen oder in Fußgängerzonen tagsüber darf nicht konsumiert werden – das ist kein Kavaliersdelikt, sondern kann als Ordnungswidrigkeit oder sogar als Straftat verfolgt werden, etwa bei Gefährdung von Minderjährigen.
Besonders heikel bleibt der Umgang mit Cannabis in Gegenwart von Kindern und Jugendlichen. Der Konsum in deren Nähe kann schnell als „Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht“ (§ 171 StGB) oder gar als Gefährdung des Kindeswohls gewertet werden. Strafbar macht sich zudem, wer Cannabis an Minderjährige abgibt – auch unabsichtlich. Schon ein gemeinsames Verweilen in einem Raum, in dem konsumiert wird, kann hier juristisch problematisch sein.
Handel, Weitergabe und organisierte Strukturen
Was nach wie vor dem Strafrecht unterliegt, ist der gewinnorientierte Handel mit Cannabis. Wer Cannabis verkauft oder auch nur unentgeltlich weitergibt – beispielsweise an Freunde oder Bekannte – bewegt sich unter Umständen bereits im Bereich des unerlaubten Handeltreibens nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) oder in den neu geschaffenen Strafnormen des Cannabisgesetzes. Auch organisierte Anbau- oder Verteilungsstrukturen außerhalb der vorgesehenen „Anbauvereinigungen“ sind strafbar.
Letztere – die sogenannten „Cannabis-Clubs“ – unterliegen strengen gesetzlichen Vorgaben. Hier darf nur in begrenzter Menge und unter klaren Regeln angebaut und verteilt werden. Wer dagegen verstößt, riskiert schnell ein Ermittlungsverfahren.
Strafrechtliche Folgen für Verstöße
Verstöße gegen die neuen Regeln können empfindliche Folgen haben. Bereits das Überschreiten der Besitzgrenzen kann mit Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet werden. Besonders schwer wiegt das Inverkehrbringen verunreinigter oder hochpotenter Produkte, das als Gesundheitsgefährdung ausgelegt werden kann. Und wer sich trotz der neuen Freiheiten im rechtlichen Graubereich bewegt – etwa beim Teilen von Cannabis mit Freunden – sollte sich bewusst sein, dass hier schnell der Anfangsverdacht einer Straftat gegeben sein kann.
Altfälle und laufende Verfahren – was wird eingestellt?
Für viele Betroffene ist besonders eine Frage relevant: Was passiert mit Verfahren, die vor der Gesetzesänderung eingeleitet wurden? Hier sieht das neue Gesetz vor, dass laufende Ermittlungen und Strafverfahren wegen Besitzes geringer Mengen grundsätzlich eingestellt werden können – allerdings nicht automatisch. In der Praxis liegt die Entscheidung bei der Staatsanwaltschaft. Wer betroffen ist, sollte daher nicht abwarten, sondern sich rechtlich beraten lassen.
Recht bleibt Auslegungssache – gerade in der Übergangszeit
Die Legalisierung ist kein Freifahrtschein. Das neue Gesetz bringt Chancen, aber auch viele Unsicherheiten. Denn wie bei allen juristischen Neuerungen wird es Zeit brauchen, bis sich eine gefestigte Rechtsprechung etabliert hat. Viele Begriffe im Gesetz sind auslegungsbedürftig, vieles wird erst durch Urteile konkretisiert. Wer auf der sicheren Seite sein will – sei es als Konsument, als Mitglied eines Anbauvereins oder als Elternteil –, sollte nicht auf gefährliches Halbwissen vertrauen, sondern frühzeitig rechtlichen Rat einholen.
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